Recycling braucht Innovation – und Mut zur Verpflichtung

Mit einer Recyclingquote von lediglich 27 Prozent liegt Österreich weit unter dem Zielwert der EU, die bis 2030 eine Quote von 55 Prozent für Kunststoffverpackungen vorsieht. Dass hier noch viel Innovationskraft nötig ist, zeigte eine Veranstaltung, bei der mehrere Projekte zur Kreislaufwirtschaft vorgestellt wurden.

Den Auftakt machten Michaela Plank und David Zidar vom Projekt WINTRUST, das sich der Wiederverwertung von Wintersportartikeln widmet. Skier, Skischuhe und Bindungen sollen künftig nicht mehr im Abfall landen, sondern in einem Kreislaufsystem bleiben. Doch die Realität ist komplex: Bindung und Ski müssen getrennt, der Ski anschließend händisch delaminiert, zerkleinert und in Holz-, Kunststoff- und Composite-Fraktionen sortiert werden. Das Verfahren ist aufwendig – und Rezyklate sind teurer als Neuware. Der Konsument von Wintersportartikeln sei aber bereit höhere Preise zu zahlen.

Im zweiten Vortrag stellte Jörg Fischer von der JKU Linz das Projekt circPlast-mr vor, das sich dem mechanischen Recycling von Kunststoffen widmet. Ziel ist eine eigenschaftsbasierte Sortierung und eine Verbesserung der Rezyklatqualität durch gründliche Reinigung und Filtration. Fischer zeigte, dass die Aufbereitung des Materials ebenso wichtig ist wie seine Verarbeitung, da dünnwandige Produkte im Spritzguss besonders hohe Anforderungen stellen.

Michael Feuchter von der Montanuniversität Leoben widmete sich dem Recycling von Mehrschichtfolien, die bis zu sieben verschiedene Kunststoffschichten enthalten können. Sein Team entwickelte ein Verfahren, das mittels Erhitzung und Zentrifuge die Schichten trennt.  Hierdurch bekommt man höhere Rezyklatqualitäten und es ist sogar ein Upcycling möglich. Um vom Pilotprojekt zum großen Maßstab zu kommen, benötigt es im ersten Schritt ausreichende Mengen des passenden Abfalls und somit eine entsprechende Sortiertiefe.

Benjamin Peter von Borealis zeigte, dass chemisches Recycling eine entscheidende, aber gezielt einzusetzende Ergänzung zum mechanischen Verfahren ist. Er präsentierte einen Mehrwegbecher aus chemisch recycletem Rezyklat, der auf der K 2025 im Einsatz sein wird. Peters Fazit: Bereits zweimaliges Wiederverwenden spart 20 Prozent CO₂, bei 30 Verwendungen sinkt der Fußabdruck sogar um 82 Prozent gegenüber Einwegbechern.

Gabi Puhm von Puhm Green GmbH sprach über das Recycling von Big Bags, die bisher meist nur einmal genutzt werden. Die Herausforderungen: sortenreines Material, Verunreinigungen und das Design for Recycling – also Schlaufen und Nähte aus demselben Kunststoff wie der Sack. Ein recycelter Big Bag kostet derzeit rund 23 Prozent mehr als ein Produkt aus Primärrohstoff. Einsatz finden die Produkte bei Asbest-Deponierungen, wo Neuware schlicht zu schade wäre. Trotz höherer Preise ist sie überzeugt, dass sich kreislauffähige Produkte durchsetzen werden. „Unternehmer, Politik und Gesellschaft müssen mutige Schritte setzen und das Richtige tun.“

Den Abschluss machte Michael Bednarek von Neveon mit dem Projekt Loop-it, das sich dem Matratzenkreislauf widmet. Rund eine Million Matratzen werden jährlich in Österreich entsorgt – mit einer Emission von etwa 150.000 Tonnen CO₂. Durch Recycling ließe sich dieser Wert um 85 Prozent senken. Die Herausforderung liegt in der Materialvielfalt: Matratzen bestehen aus unterschiedlichen, teils verklebten Komponenten. Die zurückgewonnenen Rohstoffe können in unterschiedlichen Anwendungsbereichen, wie Teppichunterlagen oder Schalldämmmaterialien, weiterverwendet werden. „Eine gute Idee darf nicht auf den Markt warten“, betonte Bednarek.

Einer der Höhepunkte der Veranstaltung war die abschließende Podiumsdiskussion mit Sarah Warscher (BMLUK), Benjamin Peter, Michael Bednarek, Jörg Fischer und Sylvia Hofinger. Diskutiert wurden die zentralen Maßnahmen, die nötig sind, um die Kreislaufwirtschaft in Österreich und Europa voranzubringen.

Sarah Warscher gab Einblick in zukünftige regulatorische Entwicklungen, während die Vertreter aus Wirtschaft und Forschung ihre Positionen präsentierten – von Vereinfachungen im Abfallrecht und einer Harmonisierung des Produktrechts bis hin zu einem konsequenteren Vollzug bei Verboten. Besonders betont wurde der Bedarf an Planungs- und Rechtssicherheit: Nur wenn Investitionen in neue Technologien – etwa das chemische Recycling – langfristig kalkulierbar sind, wird die Industrie sie auch tätigen.

Als große Chance wurde der kommende European Circular Economy Act gesehen, der europaweit neue Impulse setzen soll. Diskutiert wurde auch der Bildungsaspekt: Der Rückgang an Studierenden im Kunststoffbereich könnte sich in Zukunft als Engpass erweisen. Ein Grund dafür ist das weiterhin negative Image von Kunststoffen – obwohl sie für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft unverzichtbar sind.

Trotz aller Herausforderungen überwog vorsichtiger Optimismus. Die Diskutant:innen setzen auf mehr kreislauffähige Produkte, den Ausbau der Recyclingkapazitäten und ein wachsendes Bewusstsein in der Bevölkerung. Klar ist: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen gemeinsam handeln, um Europas Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der Kunststoffkreislaufwirtschaft zu sichern.

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Dorothea Pritz